DFB-Sportdirektor erläutert in Rahden seine „Trainingsphilosophie Deutschland“. Kleinere Spielformate führen zu mehr Ballaktionen. Von Fake-Welten und Game-Changern.
150 Jugendtrainer hingen an seinen Lippen: Mit einem zweistündigen Vortrag zu seiner „Trainingsphilosophie Deutschland“ hat DFBCoach Hannes Wolf die Gäste am Mittwoch in der Aula des Rahdener Gymnasiums in seinen Bann gezogen. Dabei hatte der Abend mit einer kleinen Panne begonnen. Ehe der DFB-Sportdirektor für Nachwuchs, Training und Entwicklung am Mittwoch ans Podium treten konnte, musste der 43-Jährige ein technisches Problem beheben. Denn: Der Beamer der Schule war mit seinem Laptop nicht kompatibel. Würde der mit Spannung erwartete Vortrag ins Wasser fallen? „Zur Not holen wir gleich den Ball raus und gehen die Übungsformen auf dem Schulhof durch“, scherzte Wolf, ehe nach zehn Minuten die Lösung gefunden war.
„Aller Anfang ist schwer. Das ist halt live“, sagte Karl-Heinz Eikenhorst mit einem Lächeln. Der Vorsitzende des Lübbecker Fußballkreises hatte Wolf eingeladen, um dessen Vision vom modernen Fußballtraining in die heimischen Vereine zu tragen. „Ich war nach einem Vortrag von Hannes in Kaiserau hin und weg. Danach habe ich gesagt: Den müssen wir zu uns in den Kreis holen“, so Eikenhorst, der beim U20-Bundestrainer mit der Anfrage offene Türen einrannte. 175 Anmeldungen waren für den Abend eingegangen. Über diese Resonanz freute sich auch Hannes Wolf, der mit seinem Thema schließlich gerade an der Basis durchdringen will. „Ich rechne bei solchen Vorträgen immer ,mal 15', denn jeder Trainer hier ist wahrscheinlich in seinem Verein für 15 Kinder zuständig“, so der frühere Bundesliga-Trainer (VfB Stuttgart, Bayer Leverkusen). Seit 2020 arbeitet Wolf für den DFB und hat mit seinem Kompetenzteam, dem unter andere, auch die Ex-Profis Hanno Balitsch und Sandro Wagner angehörten, in den vergangenen Jahren eine moderne Trainingslehre entwickelt, von der er sich einen Schub verspricht. Sein Grundgedanke dabei: „hoch dosierter Fußball“. Anhand von Statistiken erläuterte Wolf den Trainern in Rahden, wie mit dem vermehrten Einsatz kleinerer Spielformate wie „Drei gegen Drei“ im Training die Nettospielzeit gesteigert werden kann. Eine zentrale Größe sind die Ballaktionen, die jedes Kind hat. Die Rechnung: „Beim Drei gegen Drei hat man vier Mal so viele Ballaktionen wie beim Sieben gegen Sieben“, so Wolf, für den das Konzept bei konsequenter Umsetzung ein Beschleuniger ist: „Was die Spieler bisher in drei Jahren lernen, können sie damit in einem Jahr lernen.“ Diesem Prinzip folgt der Kreis Lübbecke schon mit den Funino-Spielformaten bei den Minikickern. Wichtig ist für den DFB-Entwickler, dass sowohl im Training als auch am Spieltag kein Kind außen vor ist. „Der Gamechanger ist ,Fußball für alle'. Immer wenn ein zusätzliches Zwei gegen Zwei möglich ist, sollte man auch ein Spielfeld aufbauen.“
Hannes Wolf will mit seinen Ideen, die im deutschen Fußball eine fruchtbare Debatte angestoßen haben, nicht nur die Klubs erreichen, sondern hat auch die Schulen im Visier. Denn das Potenzial sei riesig. „Wer als Kind Fußball in sich trägt, könnte an fünf Tagen in der Schule 90 Minuten spielen und dazu noch drei Mal im Verein. Was dabei rauskommen kann, wäre Wahnsinn.“ Wolf, der zwei Töchter im Alter von acht und zwölf Jahren hat („Die spielen aber Handball“) , hat erkannt: Die Talentförderung muss auf neue Beine gestellt werden. „Wir hinken anderen Ländern längst hinterher. England verfügt über viel mehr Top-Talente im Seniorenbereich“, so der 43-Jährige. „Deutschland war mal ein Bolzplatz-Land. Heute leben wir in einer Fake-Welt und müssen zu Hause den Kampf gegen das Handy aufnehmen. Wir wollen die Kids nicht verlieren.“
An der Basis fühlt er sich wohl, das spürt man bei seinem lockeren Auftritt in Rahden. Als Überzeugungstäter ist sich der DFB-Coach nicht zu schade, Überzeugungsarbeit zu leisten. „Wir wollen Klinken putzen, um die Relevanz in die Köpfe zu bekommen“, so der gebürtige Bochumer, der den Jugendtrainern anhand von Videos Tipps für den Aufbau der manchmal doch komplex anmutenden Übungsformen an die Hand gibt. Die Umsetzung müsse nicht von heute auf morgen passieren. „Nehmt euch die Zeit, da reinzuwachsen, und hört nicht nach einem Versuch gleich wieder auf“, rät Wolf den Zuhörern. „Wir wollen euch mitnehmen auf die Reise und hoffen, dass ihr euch da rantraut!
Quelle: Neue Westfälische vom 14.06.2024